Kennen Sie nicht? Das dachte ich mir. Es ist mein persönliches Raid Level, benannt nach der heimischen Hausnummer. Es spielt sich sonntags am Küchentisch ab. Mit der Unterstützung von WLAN, DSL und VPN, DVD-Brenner und diversen USB-Platten wird in allen zugänglichen Systemen aufgeräumt. Es klingt für den Laien wie das Steuern eines Raumschiffs, dreht sich in der Praxis aber lediglich um das Aufräumen von sinnlosen und sinnvollen Daten auf dem Notebook, auf Firmenservern und Familienrechnern, allerdings unter kontinuierlichem Wälzen vielfältiger Gedanken zu technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen privater und dienstlicher Art.
Es stellen sich infrastrukturelle Fragen: Wie sicher ist unsere Datenhaltung im Büro? Funktioniert unser Backup (im Zweifelsfall ja) und unser Restore (im Zweifelsfall nein)? Wie sicher sind USB-Platten? Wie sicher sind DVDs? Braucht jemand diese Daten jemals wieder? Wie sollte all das strukturiert werden, so dass alle Bedarfe berücksichtigt sind? Machen wir in der Firma jetzt Quickr oder SharePoint? Was braucht man offline, was nur online? Welches Risiko stellt das Vorhandensein von vertraulichen Kundendaten auf den verschiedenen Medien dar?
Es stellen sich aber auch nicht minder wichtige, eher private Fragen: Wohin mit Musik und Bildern? Wohin mit dem privaten Schriftverkehr? Gehören die iTunes-Daten auf die Notebook-Platte oder auf die USB-Platte? Warum funktioniert die USB-Platte der Tochter nicht mehr? Wohin mit der Datensicherung der Gattin?
Im Kern ist Raid Level 29 die strukturelle Implementierung des Prinzips Hoffnung: Irgendwo sollte im Schadensfall alles nochmal zu finden sein und wenn nicht, dann war es auch nicht so wichtig.
Auf der DNUG Lab Tour haben uns die IBM Product Manager ihre Visionen mit Notes Next, Quickr und Connections erläutert. Die technische Datenablage streifen die Damen und Herren dabei nur am Rande. In Zukunft ist alles „activity centric“. Dadurch wird alles endlich richtig sortiert und viel einfacher. Ich werde aber den Eindruck nicht ganz los, dass dies nur die nächste Runde des Hase-und-Igel-Spiels „Persönliche und unternehmerische Organisation“ ist. Neues Werkzeug, neues Glück, altes Chaos. Dass das heimische fragile Data Center mit Raid Level 29 dabei um Websphere Application Server erweitert wird, stimmt mich ebenfalls nachdenklich.
Zum Abschluss möchte ich mich einem Erlebnis zuwenden, das hingegen von klaren Regeln geprägt war. Bei der jährlichen Hausmesse eines Partners im letzten Jahr hatte ich das beklemmende Gefühl, dass mein Unternehmen im Aussteller-Shootout im Rückstand war. Alle anderen Aussteller glänzten mit mindestens drei sog. Roll Up Displays, auf Deutsch: bedruckte ausroll- und aufstellbare Leinwände. Vorteil dieser Leichtbautechnik ist, dass auch der Geschäftsführer, der eigentlich vom Tragen über 5kg befreit ist, lässig drei dieser Roll Ups in einen Veranstaltungsraum befördern und – sofern nicht extrem ungeschickt – diese auch verletzungsfrei in voller Pracht entfalten kann. Aufrüstung war angesagt.
Wegen der üblichen Unorganisiertheit – siehe Schilderung über Raid Level 29 – gelang es uns erst auf den letzten Drücker zur diesjährigen Veranstaltung diese Roll Ups fertigstellen zu lassen. Mit großem Stolz trug ich unsere drei druckfrischen Roll Ups in den Veranstaltungssaal. Doch während ich mein virtuoses handwerkliches Geschick beim Aufbau unter Beweis stellen wollte, näherte sich mit festem Schritt und gestrengem Blick die Event-Managerin des Veranstalters. Um Materialschlachten im Keim zu ersticken – manche Aussteller können auch leicht ein Open-Air-Kino ausrüsten – hatte sie beschlossen, dass man sich mit einem Roll Up zu bescheiden habe. Frust! Unser geniales Präsentationskonzept dreier aufeinander abgestimmter Roll Ups brach in Sekunden zusammen. Widerrede zwecklos. Das Regelwerk sei in den elektronischen Veranstaltungsunterlagen kommuniziert worden. Ich weiß sogar, wo dieses Dokument sich befindet: Gemäß Raid Level 29 in mindestens drei Mailboxen, in Quickr, in SharePoint und in diversen Verzeichnissen auf dem Notebook. Leider hatte es keiner gelesen.