Die Glaskugel

Der verehrte Chefredakteur des vorliegenden Magazins versucht mir jeweils mit der Auf­for­de­r­ung zum Verfassen der nächsten Glosse einen thematischen Hinweis mit auf den Weg zu geben. Diesmal lautete er: „Gucken Sie doch mal in die Glaskugel, was 2007 so kommen wird!“. Nun fallen bei mir Glaskugeln, zumindest als Quelle gesicherter Aussagen über die Zukunft, in die Kategorie Reiki, Bachblüten und Esoterik. Aber ähnlich wie die Auguren der Consulting-Unternehmen, muss auch ich mich nicht für meine Prognosen rechtfertigen. Apropos Auguren: Laut Wikipedia römische Beamte, die die Meinung der Götter zu bestimmten Vorhaben zu ergründen versuchten. Anfangs gab es in Rom 3 Auguren, später 9, dann 15 usw. Ich denke die Anzahl der Auguren hat sich seitdem mindestens linear erhöht.

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Was glaube ich also in der Glaskugel zu sehen? Zwei Dinge, die unser IT-Leben in Wallung bringen sollen, ganz sicher: Microsoft Windows Vista und Notes 8. In der Reihenfolge soll keine Wertung liegen. In Sachen Hardware Requirements werden beide Komponenten vermutlich überaus einig an einem Strang ziehen. Ich sehe im betrieblichen wie im privaten IT-Umfeld einen hässlichen Hardware-Darwinismus. Wer zu alt und zu schwach ist, darf nicht mitspielen. Microsoft bereitet die hechelnde Community mit Testprogrammen auf die neuen Anforderungen vor, IBM wird das üblicherweise als Erfahrungskomponente in Migrations­projekten anbieten. Aber wer 4D und 5D gucken oder auf modernste Software-Architektur umstellen will, und dabei rasend schnell bleiben will, der muss eben investieren. Meckern will ich über diese Mechanismen des Technologiemarktes, bei denen jede Steigerung der Hardwareperformance umgehend durch ein Update des Betriebssystems oder der Anwendungssoftware platt gemacht wird, nicht wirklich. Schließlich lebt unsere Branche davon, es dann doch wieder „ähnlich performant wie vor dem Update“ hinzubekommen. Ich beobachte allerdings, dass die Transparenz von Hard- und Softwarekomponenten eher abnimmt. Ersetzt wird sie durch tonnenweises Installieren von Treibern und Diensten gepaart mit vollautomatischen Updates, sobald nur der Hauch eines Internetzuganges über ein WLAN erschnüffelt werden kann. Der Versuch, dem Benutzer zu erläutern, was seine Maschine so alles heimlich tut, wurde weitestgehend eingestellt.

Was bietet die Glaskugel sonst noch: Vielleicht kommt Hartz V anstatt Hartz IV, weil die zugehörige Software ohnehin nie richtig funktioniert hat, vielleicht übernehmen auch die Krankenkassen die Auszahlung des Restlohnes aller Arbeitnehmer, weil das die Lohnbuchhaltung aller Betriebe ersetzt. Auch das zieht IT-Investitionen nach sich. Herr Kleinfeld wird uns erläutern, wie das mit globalen Aufträgen und schwarzen Kassen funktioniert. Lässt sich das mit Excel abbilden? Schwarze Zahlen auf schwarzen Grund.

Aus dem Supportbereich ist mir auch nach diesem Jahreswechsel das Phänomen des kollektiven „memory flush“ wieder zu Ohren gekommen. Ich vermute es hat mehr mit Glasflaschen als mit Glaskugeln bzw. mit dem befreienden sich über die Feiertage fallen lassen zu tun. Viele Menschen unterziehen ihr Gedächtnis für Passworte über Weihnachten und Neujahr einem gründlichen Cleanup. In erstaunlich hoher Zahl können sie sich nicht mehr an Passworte erinnern und machen sich dann im Neuen Jahr zähne­knirschend auf den Canossa-Gang durch die Help Desks und Call Center. Wohl dem, der unter der Schreibtischunterlage den berühmten Merkzettel mit PIN-Codes und Passwörtern für alle Lebensfragen akribisch gepflegt hat.

Ansonsten sehe ich schöne große Projekte auf uns zukommen. Es muss allerorten konsolidiert, virtualisiert, migriert, fusioniert oder einfach nur upgedatet werden. Auch hier ein Dank an Hard- und Softwarehersteller sowie an die großen Business-Strategen. Was wären wir ohne eure weisen Entscheidungen, die Unternehmenslandschaften immer wieder umzukrempeln. Wir werden euch auf diesem Weg mit aller Kraft und Kompetenz begleiten.

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