Eigentlich gehöre ich nicht zu denen, die alles und jede Äußerung von Microsoft eifrig kommentieren müssen. Auf der Lotusphere habe ich das Verhalten von Microsoft-Menschen jedoch so hautnah miterlebt, dass ich mich ausnahmsweise nicht zurückhalten kann.
Beobachtungen aus Orlando: Auf der Veranstaltung waren, eindeutig durch ihren Badge gekennzeichnet, mehr als 15 Mitarbeiter von Microsoft als offiziell geduldete Industriespione zugegen. Sie kamen teils aus Redmond, teils aus München. Sollten Sie die offizielle Conference Fee bezahlt haben, war damit fast eine Mahlzeit „boxed lunch“ für alle Konferenzteilnehmer finanziert, was aber wegen der kulinarischen Qualität keine Werbung für Microsoft wäre.
Da ich einen der Münchner Microsoft-Kollegen seit langer Zeit kenne, lauschte ich einigen Vorträgen gemeinsam mit ihm. Meine Konzentration auf den Redner hielt nicht lange an, denn schon nach wenigen Minuten wurde ich von den Umtrieben der Microsoft-Leute abgelenkt. Die Professionalität, mit der sie die gebotenen Informationen verarbeitet haben, war beeindruckend. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der so diszipliniert und systematisch auf Tablet-PCs mitschreibt und derart flink Grafiken skizziert. Informationsträchtige Slides wurden sofort mit der digitalen Kamera festgehalten, in manchen Fällen diskret, fast schon verschwörerisch, aus der Hüfte. Eine reine Präventivmaßnahme. Schließlich soll es auch schon vorgekommen sein, dass dargestellte Skizzen im Online-Forum fehlten. In amerikanischer Manier wurde nach jedem erledigten Tagewerk abends ein Report an die Kommandozentrale nach Redmond gemailt. Professionell, nüchtern, cool.
Messen für Navigationssysteme haben die Spione bisher anscheinend gemieden. Denn bis vor kurzem war der Routenplaner auf der MSN Website durchaus verbesserungswürdig. Vermutlich hat Microsoft die Engine dieses Routenplaners nicht programmiert, bietet den Dienst aber immerhin unter seiner Fahne an:
mappoint.msn.com/directions-find.aspx.
Gab man beispielsweise als Startpunkt die Stadt Haugesund in Norwegen und als Ziel Trondheim in Norwegen ein, stellte der Planer eine sicherlich schöne, aber nicht unbedingt direkte Route zusammen. Zwei Fragen drängten sich auf: Hat Microsoft einen Provisionsvertrag mit einer norwegisch-englischen Fährlinie abgeschlossen? Oder ist in Chelsea eine Fischkiste abzuholen, die dringend nach Trondheim muss?
Bei anderen Eingaben wurde eine Hin- und Rückfahrt per Fähre angeboten, um einen nur 15 Kilometer entfernten Ort zu erreichen. Inzwischen hat man den Lapsus korrigiert. Für Tests fehlte mir bislang die Zeit, auf Überraschungen bin ich vorbereitet.
Für Computersicherheit macht sich Bill Gates ganz persönlich stark. Jüngst hat er all diejenigen, die es noch nicht wussten, darauf hingewiesen, dass zum Leidwesen aller „auch böse Jungs clever sind“. Primär meint er damit Spammer und Hacker. Ob er sich selbst im Sinne unzulässiger Marktbeherrschung auch einschließt, bleibt offen. Sicherlich bevorzugt er die Rolle des „Good Guy“, der Millionen nach Südostasien spendet. Nebenbei engagiert sich das Redmonder Unternehmen im Münchner „Haus der Gegenwart“ und stattet es mit seinem eHome-Konzept aus. Es würde Microsoft wohl gefallen, diesen Markt irgendwann genauso zu beherrschen wie den PC-Markt. Bill Gates erklärt der Welt den digitalen Lifestyle und die Consumer folgen mit offenem Mund.
So weit wird es hoffentlich nicht kommen, denn glücklicherweise gibt es noch ein paar Kritiker, die ihre Augen offen halten und auf Missstände hinweisen.