Es gab Zeiten, in denen sich die Deutschen als Weltmeister der Allgemeinbildung einschätzten. Spätestens seit der Pisa-Studie bröckelt das Selbstvertrauen. Politiker, Pädagogen und viele andere gebildete Menschen ringen nun um Konzepte, im Pisa-Ranking wieder einen der vorderen Plätze einzunehmen. Zu einer guten Allgemeinbildung gehört auch die Kenntnis der deutschen Sprache. Was korrekt ist und was nicht, ist mittlerweile Ansichtssache. Die Rangelei um die Rechtschreibreform ist dabei eher kontraproduktiv. Immerhin nutzten einige Zeitungsredaktionen die endlosen Diskussionen, um sich im Sommerloch zu profilieren. Selbst im Rahmen von Hartz IV wird vielfältig über Weiterbildung debattiert. Schlussendlich sinniert die IT-Branche in Zyklen über die Sinnfälligkeit und Notwendigkeit von Expertensystemen.
Die Bildung in Deutschland befindet sich eindeutig im Notstand. Erschütternde Alltagserlebnisse beweisen das immer wieder. Neulich beauftragte mich meine Frau, im Reptilienhaus Heimchen als Futter für einen Mauersegler in Pflege zu kaufen. Neben mir orderte ein Golf-GTI-Fahrer, mächtig tätowiert und ganz in Schwarz, Ratten für seine Anaconda. Gleichzeitig wollte er das nette Tierchen per Anzeige verkaufen. Er schrieb: „ANNAKOMDA, 1,50 lang, 500 Euro.“ Seine Freundin heißt vermutlich auch Anna, und er muss sie ständig rufen.
Nicht weit vom Reptilienhaus entfernt, brachte mich wieder ein Aushang zum Schmunzeln. An einer Eisdiele war zu erfahren: „Welpen zu verkaufen, 5 Labrador und 3 Golden Reddriver. Preis 400 Euro pro Welpe.“ Wenn es ums Geld geht, gibt es offenbar weniger Bildungsmängel. Ob sich der Anbieter von den Einnahmen ein Lexikon oder ein Hunderassenbuch kaufen möchte, bleibt offen.
Bildung mit leicht gehobenem Niveau ist auch im Umgang mit Telefonanlagen gefragt. Wir wissen alle, dass dabei nur wenige den Expertenhimmel je erreichen. Ein in anderen Belangen hoch kompetenter Mitarbeiter eines Partnerunternehmens wollte mich vor ein paar Tagen einfach nur weiterverbinden. Er nutzte die Gelegenheit und demonstrierte mir das komplette Musikprogramm der Telefonanlage. Finally, he failed – wie der Amerikaner sagen würde.
Für den Knowledge-Transfer in Unternehmen ist nicht nur Allgemeinbildung, sondern auch Fachwissen erforderlich. In einem Presse-Ticker erschien jüngst die Meldung „Big Blue erwirbt Venetica, Spezialist für unstrukturierte Informationen, die über Unternehmensnetze verstreut sind“. Wohl als freud‘sche Fehlleistung las ich „verstreut werden“ statt „verstreut sind“ und stellte mir eine neue Zentrifugaltechnik für unstrukturierte Informationen vor. Offensichtlich habe ich meinen Frust über das Verschwinden des IBM-Knowledge-Discovery-Servers noch nicht verwunden. Ich werde mir die neue Zentrifuge aus sicherer Entfernung ansehen.
Die privaten und geschäftlichen Intentionen, den staatlichen Bildungsauftrag zu unterstützen und vorhandenes Wissen besser zu verbreiten, sind löblich. Der Weg zum Erfolg ist wie so oft sehr steinig. Manches scheitert auch an halbherzigen Geschäftsideen. Vor einem Zeitungsladen in der Nähe unseres Büros hing ein Schild: „Wir bestellen auch Schulbücher!“ Darunter ein Zettel: „Betriebsferien vom 9.8. bis 6.9.“ Die Schulferien in Niedersachsen endeten am 18. August.