Unter volkswirtschaftlichen Aspekten ist das Thema Urlaub eine heikle und hochkomplexe Angelegenheit. Ich selbst verfüge in diesem Fachbereich nur über Halbwissen, was mich aber nicht daran hindert, immer mal wieder über den einen oder anderen Punkt nachzudenken. Etwa, ob die Regelung der Schulferien in Deutschland volkswirtschaftlich für alle Branchen optimal ist? Für Software-Dienstleister mit Sicherheit nicht, wie sich auch in diesem Sommer gezeigt hat.
Wir arbeiten primär für größere Unternehmen mit mehreren Standorten in verschiedenen Bundesländern, beispielsweise Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin. Von den ausländischen Standorten ganz zu schweigen, um das Thema nicht noch komplizierter werden zu lassen. Wie es sich für eine faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit gehört, sind alle Standorte durch die Projektteams demokratisch vertreten. Das macht sich während des Urlaubsquartals besonders bemerkbar.
Pünktlich zum Ferienbeginn am 24. Juni rauschte der Berliner Projektkoordinator mit Kind und Kegel in den gut dreiwöchigen Sommerurlaub. Am 19. Juli sieht sein Kollege aus Hannover, ohne den kein Meeting stattfinden darf, seine Zeit für gekommen. Drei Wochen später, am 9. August kehrt er gut erholt und voller Tatendrang wieder zurück. Nun befindet sich jedoch die Projektleiterin aus München in den letzten Urlaubsvorbereitungen und verabschiedet sich in Kürze bis zum 6. September. Wer kann es ihnen verübeln, sind sie doch alle drei Eltern schulpflichtiger Kinder. Eine andere Urlaubsplanung ist ausgeschlossen.
Von Ende Juni bis Anfang September werden somit für rund zweieinhalb Monate keine Projektentscheidungen getroffen. Ab Mitte September freuen sich alle bereits auf die Herbstferien, die dieses Jahr in einigen Bundesländern am 4. Oktober beginnen und spätestens in Bayern am 6. November enden. Ich bin mir bewusst, dass eine etwas komprimiertere Ferienzeit der Verkehrslage auf den deutschen Autobahnen und der Tourismusbranche immens schaden würde. Auf manche IT-Projekte, die sich in Agonie durch die Sommermonate schleppen, würde sich eine dichtere Ferienregelung durchaus positiv auswirken.
Da ohnehin kein Kunde zu sprechen war, habe ich trotz allem Arbeitseifer auch etwas Urlaub genossen. Zum ersten Mal seit Jahren ohne Notebook. In der Vergangenheit hielt ich diese Nabelschnur zum Wichtigsein für unverzichtbar. Den Stress mit haarsträubenden Akku-Ladeaktionen, Kommunikationsstrukturen mit kaum domestizierbaren Kosten und die ständige Angst um das Diebstahlobjekt „Notebook“ kennen viele aus meinen früheren Glossen. In diesem Sommer war für mich alles einfacher: Das Aufladen beschränkte sich im Familienverbund auf vier Handys und zwei Digis, einen MP3-Player, drei MD-Player und einen vibrierenden Massagekäfer. Die Bestandsaufnahme bei unserer Rückkehr ergab keine Verluste.
Damit meine Urlaubszeit nicht ungenutzt blieb, habe ich mein Notebook bzw. mein „ThinkPad“, wie mich ein IBM-Mitarbeiter kürzlich korrigierte, in Kur geschickt. Es hat einen leisen Lüfter bekommen und auf dem Flatscreen ist wieder alles klar zu erkennen. Es ist sogar geputzt worden und der rote Trackpoint, der mancherorts einen anderen, weniger druckreifen Namen hat, ist auch neu. Nach meiner Rückkehr ins Büro verlängerte mein ThinkPad eigenmächtig den Kuraufenthalt. Das gab mir die Gelegenheit, noch zwei Tage meinen Schreibtisch aufräumen und mich speziell um unseren holistischen Bundesliga-Tipp zu kümmern.
Wenn alle Baden-Württemberger, Bayern, Hessen, Pfälzer und Sachsen zurück im Lande sind, Mallorca wieder den Rentnern überlassen ist und die Tourismusbranche Kassensturz macht, versuchen wir schnell das Projektgeschäft voranzutreiben. Schließlich wird Mitte November die Weihnachtsdekoration in den Fußgängerzonen angebracht und der Kampf um die IT-Budgets 2005 geht in die Endrunde.