Vor zwanzig Jahren war alles noch gut. Viele Unternehmen hatten ihre IT-Einkaufsabteilung an IBM, Siemens oder ähnliche Big Player „outgesourct“. Die Mega-Hersteller lieferten ihre Hardware und Software quasi in LKWs an, und jeder war zufrieden. Irgendwann geriet diese Vorgehensweise ins Wanken. Die IT-Entscheider emanzipierten sich und haben den Sinn der einen oder anderen Position auf dem Lieferschein hinterfragt.
Eine Zeit lang bevorzugten sie dann mittelständische Unternehmen, die sich durch Schnelligkeit und Flexibilität auszeichneten. Die Knebelverträge der Großen wurden beschimpft, und die IT-Entscheider fühlten sich innovativ und mutig. In den letzten Jahren ist bedauerlicherweise wieder eine Kehrtwende zu beobachten.
Klamme Zeiten führen offenbar dazu, im Strom mitzuschwimmen und möglichst wenig verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Aber meinen die Entscheider im Ernst, dass ihre Argumente aus den 80er Jahren hinfällig geworden seien? Sind die Großen in der Zwischenzeit schneller, flexibler und kundenfreundlicher geworden? Sind Projekte mit diesen Unternehmen wirklich so gesichert erfolgreich?
Das Toll-Collect-Konsortium ist ein aktuelles Beispiel solcher Erfolgsgarantien. Herr Stolpe gibt doch ein jammervolles Bild ab, wenn die sicherlich fürstlich bezahlten Toll-Collect-Manager jegliche Schuld an Pannen abstreiten und grinsend auf die Vertragsklausel hinweisen: dreimonatiger Haftungsausschluss in der Startphase. Zur Rechtfertigung erklärt Stolpe, der Vertrag mit Toll-Collect sei vor seinem Amtsantritt unterzeichnet worden. Mag sein – aber wäre ihm ein besserer gelungen? Daimler-Chrysler und die Telekom lassen sich sicherlich nicht von einem Verkehrsminister erzählen, wie Verträge gestaltet werden. Flexibilität zeigt sich auch in der spontanen und individuellen Kundenbetreuung: Kürzlich bekam ich auf meinem geliebten Handy um drei Uhr nachts einen Hilferuf aus Asien. Ein IT-Manager unseres Kunden hatte sich versehentlich vom gesamten Zugang zu seiner Notes/Domino-Landschaft ausgesperrt. Das kommt vor. Ich habe ihm diesen Zugang in der gleichen Nacht wieder verschafft, auch ohne Vertrag, der uns zum Support für diesen Kunden verpflichtet. Noch nie habe ich einen Mitarbeiter eines großen Providers erlebt, der sich nachts privat an den Rechner setzt, in die Tasten greift, um solch ein Problem zu beseitigen. Der Standardvorgang sieht ja eigentlich vor: Am nächsten Morgen das Service Level Agreement prüfen – und dann schauen wir mal.
Im Rahmen unserer eigenen E-Government-Initiative habe ich etliche Gespräche mit Entscheidern aus Ministerien und anderen Behörden geführt. Schließlich ist ständig zu lesen und zu hören, dass der regionale Mittelstand gefördert werden soll. Es ist von vielen Gremien die Rede, die sich mit dem Thema befassen. Durchleuchtet man jedoch die Besetzung dieser Gremien, wird die so genannte Mittelstandsinitiative ad absurdum geführt. Plötzlich tauchen wieder Deutsche Telekom oder T-Systems, SBS, IBM, Compunet und andere Hochkaräter auf. So finden die Schäfchen in den richtigen, trockenen Stall. Zu Zeiten der Weltausstellung 2000 in Hannover wurde der Begriff „regionaler Mittelstand“ fast zum Schimpfwort im Kreise der Expo-Entscheider.
Trotz aller Tendenzen behaupte ich: Der Mittelstand ist schneller, innovativer, flexibler und bietet ein faires Preis-Leistungsverhältnis mit vergleichbarer Erfolgsgarantie. Ganz am Rande empfehle ich IT-Entscheidern, dringend darauf zu achten, dass die Rechtsabteilung ihres „großen“ Dienstleisters nicht stärker besetzt ist als die eigene. Denn diese Abteilungen werden sich möglicherweise intensiv wiedertreffen.