Vom elektronischen Handel zum „unsittlichen“ Kommerz

Während meines Studiums – seinerzeit – schrieb ich ein kleines    PASCAL-Programm, das die Häufigkeit der einzelnen Buchstaben in ASCII-Dateien statistisch darstellte. Das war nicht sonderlich intellektuell, aber just, wenn man nach einer kleinen Stehgreifübung sucht, fällt einem oft nichts von großer Tragweite ein.

Bereits meine damaligen akademischen Forschungen bewiesen, dass der Buchstabe „E“ der absolute Renner ist. Die Analyse moderner Texte aus der IT-Branche mit besagtem PASCAL-Programm zeigt darüber hinaus, dass das „E“ seinen Vorsprung in gigantischem Rahmen ausweitet.

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Es gibt im Prinzip kein Substantiv mehr, vor das man nicht ein „E“ hängen könnte. IBM hat zu dieser E-Revolution gewaltig beigetragen und fragt unbedarfte Kunden: „Are you ready for e-business?“ Wenn der Kunde mit spitzen Fingern zugreift, geht es Schlag auf Schlag weiter: E-Commerce, E-Banking,

E-Shop, E-Learning, E-Bay, E-Books, E-Communication usw.
E-Mail ist schon lange ein alter Hut und E-Suite leider verstorben.

Wenn in der Freizeitbranche gefragt wird: „Was kommt nach dem Kickboard?“, heißt es im IT-Bereich: „Was folgt dem „E“, wenn das IT-Marketing nach Neuem lechzt?“

Andere Buchstaben drängen bereits massiv nach und drohen das „E“ auf´s Abstellgleis zu schieben. Würden einzelne Buchstaben am Neuen Markt gehandelt, wären das „M“ für „mobile“ und das „P“ für „pervasive“ die heißen Tipps. Entsprechende Tendenzen lassen sich beim Durchblättern der IT-Magazine erkennen. Bedenken habe ich allerdings beim Begriff „pervasive“.

Entweder das „P“ setzt sich so schnell durch, dass niemand mehr die Bedeutung hinterfragt oder es entsteht dasselbe Problem wie vor Jahren mit dem Begriff „residente Programme“. Noch heute schwa­dronieren IT-Fachleute über „resistente“ oder gar „renitente“ Pro­gramme, wenn sie über die alten DOS-Zeiten berichten. Wer aber hindert diese Sprachkünstler daran, in Zukunft über „perversen“ Commerce oder andere unsittlichen Varianten zu sinnieren?

Wenn irgendwann alles E- und M- und P- ist, können die Präfixe wieder gestrichen werden, da sie dann keinen differenzierenden Aussagewert mehr besitzen.

Häufig werde ich gefragt, ob ich meine Glosse nicht in Richtung Klatschreport ausdehnen möchte. Manche behaupten sogar, mich extra zu Veranstaltungen einzuladen, damit ich Glossenmaterial bekomme. Aus geschäftlichen Gründen sind mir aber redaktionelle Handschellen angelegt, somit eigne ich mich vor meiner Pensionierung nur teilweise als Klatschreporter.

Auf der Lotusphere in Berlin beobachtete ich übrigens einen Herrn am Buffet, der sich exakt sechs kurze Würstchen auf seinen Teller legt. Ich kenne das als „Nürnberger Würstchen“ aus dem ICE-Restaurant und vermutete, dass er aus Nürnberg sei und sprach ihn an. Und tatsächlich – er kam aus Fürth. Es geht eben nichts über das korrekte Anwenden von Alltagsgebräuchen – die überdies noch ohne jegliche „Vorsilben“ auskommen.

Bevor ich’s vergesse: Eine Frage bewegt mich noch. Vielleicht kann sie mir einer der Gäste des Beacon Award Dinners auf der Lotusphere beantworten: War es wirklich Whitney Houston oder ein Double? Und wenn es kein Double war, was hat ihr Auftritt gekostet?

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