Dem Management im Allgemeinen wird von IT Analysten, Consultants und anderen schlauen Menschen in der Szene z.Zt. einiges um die Ohren gehauen. Manager blockieren den unvermeidbaren Weg in die Cloud, haben die Notwendigkeit zur digitalen Transformation nicht verstanden, setzen auf steinzeitliche Collaboration Tools oder boykottieren gar hierarchie-übergreifende Zusammenarbeit aus niedrigen Beweggründen. Sie sind Innovationsbremsen.
Gedroht wird mit dem Verschwinden vieler Arbeitsplätze, auch Arbeitsplätze im Management, weil die Tätigkeiten dieser Menschen durch cognitive Systeme ersetzt werden können. Im Reinkultur ist dieser Prozess disruptive, d.h. das ganze Geschäftsfeld wird weggefegt.
Der anklagenden Personengruppe mag zum Zwecke des Aufrüttelns manche Formulierung genehmigt sein. Aber das flächendeckende Management Bashing bzw. die These, dass jeder, der noch einen Fußabtreter im Organigramm unter sich hat, transparente Collaboration verweigert, ist aus meiner Sicht falsch.
Ich plädiere für eine Diskussion, die weniger mit schlaumeierischen Drohgebärden arbeitet. Unterm Strich kann doch kein Manager am Untergang seines Betriebes interessiert sein. Im Gegenteil, jede Innovation, die ihm wiederum mehr Gehalt oder mehr Dividende auf das Konto spült, sollte doch begrüßt werden.
Fokusiert auf den Bereich Collaboration Tools ist doch in der technischen Umsetzung noch viel Luft nach oben. Diese Tools werden oft in einem Idealzustand – alle in einer homogenen Infrastruktur, in einer homogenen Blase, mit barrierefreien Zugriffsrechten – demonstriert. Der Alltag ist leider sehr viel heterogener und wird das auch bleiben. Allein die „single source of truth„- Vision ist doch genauso ein Wolkenkuckucksheim wie single-sign-on, funktionierende PKIs oder perfekte Security. Man fordert den Mitarbeiter auf, nur Links zu verteilen und alles in Communities zu sharen, und dann kann die Hälfte der Adressaten auf die Quelle nicht zugreifen, sie sind versehentlich nicht Member der Community, der mobile Zugriff funktioniert nicht oder krude UIs trüben das Bild.
Mir ist bislang noch kein System begegnet, dass ich auch nur ansatzweise als perfekt bezeichnen würde, und das ich einem Manager mit der Behauptung: „Dann sind zumindest alle technischen Probleme beseitigt!“ empfehlen würde.
Nun die argumentative Kehrtwendung: Dies berechtigt keinen Manager dazu im Stillstand zu Verharren, seine besitzstandswahrenden Prozesse weiter zu zementieren und Innovation auszubremsen. Die, die meinen zu wissen wie alles besser geht, die Tool-Anbieter und die Manager müssen mit gegenseitiger Kritikfähigkeit an einem Strang ziehen. Tun sie auch in der Praxis, klingt nur manchmal anders.
Zum Abschluß: Witzig finde ich, dass gerade große amerikanische Unternehmen, die ja bekanntlich die Perfektionisten im Stahlbeton-Organigramm sind, und in denen der unterste Controller mehr zu sagen hat als der genialste Entwickler, sich als Treiber modernster Collaboration positionieren.
Jörg, wir erwartet, stimme ich trotz vieler Dinge, bei denen ich bei Dir bin, eher nicht zu. Deine technischen Aspekte sind viel, viel zu kurz gegriffen. Die sind – bei aller Berechtigung – nicht das Problem. Wir reden hier primär nicht über Technik. Ich rede hier davon, wie notwendiger Wandel aufgrund von Hierarchiestrukturen und Posiitionswahrung systematisch oder vielleicht systemimmanent blockiert wird, Das System zwingt zu fragwürdigen Excel-Tabellen und sinnlosen Powerpoint-Präsentationen. Mikromanagement wird betrieben, statt die wirklichen Fragen anzugehen. Es geht hier nicht oder nicht nur um IT-Manager. Es geht um Veränderung, um die wir nicht herumkommen werden.
Lieber Stefan, natürlich habe ich mich auf einen Aspekt in diesem großen Thema fokusiert, der da lautet „Ist die Technik denn schon voll tauglich?“. Meine These: Man kann all die anderen Missstände angehen, wenn die Technologie als Grundlage begeistert. Ich träume von einer Technik, die keinen Anlass zu Ausreden mehr bietet. Ich hasse es, wenn einer der „Bremser“ – auf welcher Ebene auch immer – mir nachweist, dass irgendetwas, was ich ihm angepriesen habe, nicht genau so funktioniert oder ich von einer Verfügbarkeit in x Monaten faseln muss, die ich nicht einmal beeinflussen kann. Ich muss dann plötzlich kleinere Brötchen backen. Um ein Beispiel zu nennen, für das dein Arbeitgeber definitiv nicht verantwortlich ist: Wenn ständig von always on und grenzenlosen mobilen Arbeitsmöglichkeiten gesprochen wird und man im Zug zwischen Hannover und Hamburg nur zu 80% eine Internet-Verbindung hat, dann klaffen da Lücken zwischen Vision und Wirklichkeit.
Könnte es vlllt. einen ganz simplen Grund geben, dass es die politische unsichere Zeit momentan ist, dass Unternehmen total dicht machen bezüglich Investitionen, egal welcher Art? Die Zukunft ist zu ungewiss?
Das ist wohl möglich. Andererseits hat sich das nach 9/11 doch nicht wirklich geändert.