Einige Kommentare während und im Nachgang der SharePoint Konferenz in Las Vegas haben für Verunsicherung in der SharePoint Fangemeinde gesorgt. Unter anderem titelte Wolfgang Miedl in der Computerwoche mit „Microsoft stellt SharePoint auf Abstellgleis“. In den folgenden Kommentaren wurde das „Abstellgleis“ zwar ins Jahr 2019 verlängert, aber – um es mal fußballerisch auszudrücken – der Ball ist noch heiß. Spaßeshalber habe ich mal nach der überspitzten These „SharePoint ist tot“ gegoogelt und oben dargestellte Ergebnisse erhalten. Man sieht, vieles wird totgesagt. Vom PC über Microsoft Office bis zur Dropbox. Zumindest letztere erfreut sich bekanntlich bester Gesundheit, wogegen SkyDrive zumindest namentlich tot ist.
Da mich als Besucher der SharePoint-Konferenz verschiedene Kunden nach meiner Meinung zu diesem Thema gefragt haben, will ich mich nun auch mal in die Debatte einmischen. Faktum 1 ist, dass die SharePoint-Konferenz eigentlich mehr eine Office365-Konferenz war. Die Highlights Oslo, Social Graph, Video Portal oder One Drive for Business haben mit dem, was der Kunde unter SharePoint versteht, nicht so viel zu tun.
Faktum 2 ist, dass Microsoft noch zielstrebiger als die IBM die Kundschaft in der Cloud sehen will. Da gibt es viel zu tun, viel zu integrieren, die Social Business Story mit Yammer auszubauen, die Content Management Story auszubauen, überhaupt die Cloud zum Microsoft-Erfolg zu machen. Ob es angesichts dieser Zielsetzung Sinn macht, viel Entwicklungskapazität in weitere On-Premise-Releases z.B. von SharePoint zu stecken, ist fraglich. Die Ankündigung, mindestens ein weiteres On-Premise-Release in 2015 zu bringen, ist für langfristige Planer in den Unternehmen nur eine kleine Beruhigungspille.
On-Premises-Releases stellen aus meiner Sicht einen unvergleichlich höheren Entwicklungsaufwand dar als alles was man als Hersteller für die Cloud macht. In der Cloud haben die Hersteller ihre eigene kontrollierte Infrastruktur, nicht diesen ganzen Zoo von Releases, Interfaces, technischen Abhängigkeiten mit suboptimaler Infrastruktur. Für On-Premise müssen sie Installationsroutinen bauen, die sie in dieser Form in der Cloud nicht brauchen. Sie müssen Dinge so wassserdicht machen, dass auch ein reduziert begabter „Installateur“ sie zum Laufen bringt. All das kann man sich in der Cloud sparen. Man kann auch in der Cloud Konstrukte bauen, die in unternehmenseigenen Rechenzentren so nie auslieferbar wären. Also: Warum sich langfristig den Stress mit supportintensiven On-Premises-Releases machen?
Die Frage ist: Wie stark trauen sich die Hersteller das Cloud-Thema zu forcieren ohne den zögerlichen Teil der Kundenbasis auf dem Weg zu verlieren? Aus meiner Sicht hat aber alles eine Zukunft, für das es einen tauglichen technischen, organisatorischen und ökonomischen Migrationspfad in zukünftige Infrastrukturen – vermutlich Cloud – gibt. In Sachen Migrationspfaden gilt Microsoft allerdings als etwas ruppiger als zum Beispiel die IBM. Da wird eher mal die lästige Vergangenheit im Dienste der ungezügelten Innovation abgehängt.
Man könnte jetzt sagen: Viel Kaffeesatz-Leserei. Ich würde mal behaupten, dass in 2014 noch keiner, auch kein Microsoft-Chefstratege, weiß, wie der Markt sich in 2018 oder 2019 genau darstellt. Also lässt man Versuchsballons steigen. Die IBM ist schon mal bei der Hybrid-Story gelandet, nachdem der reine SamrtCloud-Tabak zu scharf war.