Freie Marktwirtschaft dreht durch

Eigentlich bringen mich politische Umtriebe inzwischen selten aus der Fassung. Ich weiß, dass unser Staat im Prinzip eine Bananenrepublik ist, in dem Lobbyismus die primäre treibende Kraft ist. Jeder versucht die eigenen Schäfchen oder die seiner Klientel ins Trockene zu bringen. Nichts ist gesetzlich unmöglich, wenn damit irgendeiner in einer dunklen Ecke einen Euro fischen kann.

Das neue Meldegesetz mit der Vermarktbarkeit des Adressmaterials stellt jedoch alles bisher Dagewesene in den Schatten. So unverfroren wollten die Politiker den Bürger dem Markt noch nie zum Fraß vorwerfen. Es ist unglaublich, was diesen kranken Gehirnen der Politiker aus FDP und CDU alles einfällt, und mit welch perfiden Schachzügen solch ein Gesetz durch die gesetzgebenden Instanzen geschleust werden soll. Der Bürger hat alle Mühe sich letzte Nischen vor Spam und Werbeflut zu bewahren, und diese pathologischen Marktwirtschaftsbefruchter reißen die letzten Barrieren nieder. Aus meiner Sicht verfassungsrechtlich vollkommen absurd. Wozu brauchen wir dann noch Datenschutz, wenn alles vom Staat frei Haus geliefert wird? Erschreckenderweise gibt es Zeitgenossen, die sagen: „Das ist doch toll, dann bekomme ich mehr Post.“

Folgendes Gesetz erwarte ich als nächstes: Die FDP beantragt eine 1-stündige tägliche Konsumpflicht, z.B. von 21:00 bis 22:00. Der Aufenthalt in heimischen Räumen ist in dieser Zeit verboten. Jede Person muss in dieser Zeit täglich mindestens 10€ für Konsumartikel ausgeben. Ersatzweise gelten lediglich Besuche bei Ärzten, Apothekern oder Rechtsanwälten.

Dass Politiker ein befremdliches Wertesystem haben, ist beruflich bedingt und in der Regel auch nicht therapierbar. Dass harmlose Tipper bei einem EM-Tippspiel im Internet auch die guten Sitten sausen lassen, befremdet mich. Wegen eines Programmierfehlers in unserem EM-Tippspiel konnte man für ein paar Stunden den Tipp für ein bereits beendetes Spiel nochmal editieren. Ein gutes Dutzend Tipper hat versucht, aus dieser Lücke Kapital zu schlagen und nachträglich den eigenen Tipp auf das richtige Ergebnis geändert. Nun ist solch ein Vorgehen – Betriebsräte bitte weghören – in den Log-Dateien problemlos nachzuvollziehen. Ich habe mir erlaubt, meinerseits wieder Korrekturen vorzunehmen. Ein Dank dem Menschen, der mich auf den Fehler aufmerksam gemacht hat. Er wurde mit einem 50€ Gutschein belohnt.

Wie komme ich nun aus der Rolle des Sittenwächters und Moralapostels raus? Mit dem Fahrrad über 5 rote Ampeln in Serie gefahren. 2 Kisten Rotwein vom holistic-Sommerfest mit nach Hause genommen. Während der Arbeitszeit Tour-de-France geguckt (doppelt verwerflich wegen der Apothekenrundfahrt –  warum sponsert die FDP die eigentlich nicht?). Einen Kunden mit etlichen tausend Usern von Notes nach Exchange migriert und mich zur SharePoint-Konferenz in Las Vegas angemeldet. Zu wenig gepostet, Google+ fast komplett vernachlässigt. Man sieht, auch mein Gewissen ist nicht rein, aber ein bisschen reiner als das der Meldegesetzpolitiker und der EM-Tipp-Fälscher.

Zudem habe ich versprochen, eine Glosse über die DNUG-Konferenz in Dortmund zu schreiben und nun doch wieder nicht gemacht. Aber irgendwie habe ich Kevins Museumsausführungen nicht ausreichend verstanden, und wer will sich schon mit Fehlinterpretationen blamieren. Es wird zunehmend schwieriger im IBM-Kaffeesatz zu lesen.  Außerdem hatte ich mich bei der Stadionführung durch die BVB-Katakomben stark verkühlt, was zu einem leichten Conference Memory Flush geführt hat. Schade. Irgendwer hatte noch gesagt, dass alles anders wird und viel besser und wir alle ohne Arbeit reich werden, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wer das war und wie das funktionieren sollte. Nochmal schade. Nächstes Mal ziehe ich mich wärmer an und passe besser auf.

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