Die Kunst des Nein-Sagens

Manche Vorgänge im Geschäfts- und im Privatleben sind von eher trivialem Komplexitätsgrad, aber trotzdem ungemein schwierig, da sie zumindest einem beteiligten Menschen ein „Nein!“ abverlangen. Ich selbst habe damit gelegentlich Probleme und bewundere Menschen, die in der gleichen Situation mit Gradlinigkeit glänzen.

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Vor allem Vertriebsleute bringen mich in diese unliebsame Situation. Ich habe periodisch die Last mit drei Weinhändlern, die mir telefonisch ihre vorzüglichen Tropfen anbieten wollen. Ich schaffe es einfach nicht ein endgültiges „Nein“ in deren CRM zu verankern. Immer wieder unterläuft mir nach mehr oder minder langem blumigem Telefonat der Fehler, mich zumindest auf irgendeinen Wiedervorlagetermin einzulassen. Die Gespräche haben manchmal ein gewisses Kommunikationsniveau, sind aber unterm Strich nutzlos wie ein Kropf.  Gekauft habe ich erst einmal etwas. Das war der totale Schuss in den Ofen. Eine schnelle Recherche im Internet ergab, dass der Tropfen, den ich gerade für 33 – damals noch DM – pro Flasche erstanden hatte, im Direktversand vom Weingut für sage und schreibe 11 DM zu haben war. Mir gelang es in aufwendigen Verhandlungen zwar den Preis beim Wucherer auf 16,50 DM zu reduzieren Ein komplettes Storno war nicht mehr möglich.

Manchmal fehlt mir einfach das klare Feindbild zum Nein-Sagen. Beim Unterschichten-Discounter der mit der „Frau mit den drei Brüsten“ oder mit „Die Sauerei geht bald los!“ wirbt, fällt mir das Nein leicht. Die Läden dieser verbalen und akustischen Umweltverschmutzer werde ich in diesem Leben nicht betreten. Ich bin immer wieder erstaunt, wie tief die Menschheit im Dienste der Ökonomisierung sinken kann.

Meine Kollegin ist da wesentlich konsequenter. Dem 95. Anbieter eines Wasserspenders wird in weniger als 15 Sekunden ein klares „Nein!“ geboten, der 112. Anbieter von Bürobedarfsartikel ist ebenso schnell abgefertigt. In einigen Fällen schießt sie auch über das Ziel hinaus und trifft die Unterscheidung zwischen Kunde und Lieferant nicht ganz zuverlässig. Dann ist ein korrigierender „Ja“-Sager gefragt, der den Kunden zurückruft und ihm mitteilt, dass wir den Auftrag natürlich gerne haben wollen.

Ein kleiner Schwenk in unsere IT-Welt. Bei IBM suche ich auch gelegentlich nach den klaren „Jas“ und „Neins“, zum Beispiel in der bauchladenartigen Sammlung von Dokumenten­mana­ge­ment-Lö­sungen. Die Akquise von Filenet hat diese Sammlung gerade bereichert. Vielleicht konnte irgendjemand nicht „Nein“ sagen. Die klare Aussage, auf welche Lösung denn der treue IBM-Kunde setzen soll, welche Investitions­sicherheit und welche Migrationspfade ihm geboten sind, fehlt mir. Zumindest hat sie mir noch kein Vertriebler am Telefon erläutert. Möglicherweise hat es aber ein Vertriebler versucht und meine Kollegin hat ihn in 15 Sekunden mit einem schnöden „Haben wir keinen Bedarf!“ weggebügelt.

Der ehemalige Microsoft Deutschland Chef Gallmann hat es geschafft. Er hat „Nein“ gesagt. Wie man hörte und las, hatten die „Weinhändler“ aus Redmond irgendwann nicht mehr das richtige Angebot für ihn. Möglicherweise hatte er sie auch mehrfach gebeten ihn auf Wiedervorlage zu setzen und ihr Angebot in ein paar Wochen nochmal zu unterbreiten, aber nun ist es ihm die Löschung im Microsoft HR System gelungen. Ich bewundere entschlussfreudige Menschen.

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