Der (un)mündige Verbraucher!

Nicht alles was angesagt ist, ist gut. Das gilt insbesondere für die hemmungslose Fusionsmanie von Firmen – egal ob feindlich, freundlich oder sonst wie betitelt. Dies kann wirklich nicht im Sinne der Verbraucher sein. Und hier sind wir alle Verbraucher. Die Mechanismen sind einleuchtend und einfach. Beispiel Larry Ellison, der derzeit kaum Aufwand betreibt, um den wahren Hintergrund seines Handelns zu kaschieren. Gemäß einer leicht modifizierten Pfadfinder-Weisheit ist nur jeder tote Wettbewerber ein guter Wettbewerber. Peoplesoft frisst J.D. Edwards, Oracle frisst Peoplesoft und wer frisst Oracle?

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Dieselben Analysten, die vor Wochen gerade diesen Unternehmen eine „full range productline“ attestiert haben, sagen nun: „Passt doch gut zusammen, der eine ist hier stark, der andere dort. Alles gut für den Verbraucher.“ Monarchistische Claqueure, Pressegelaber zur Ruhigstellung des unmündigen Verbrauchers. Wer kann denn so naiv sein zu glauben, dass irgendeine dieser „Konsolidierungen“ zum Nutzen des Verbrauchers ist? Das können doch nur die Leute sein, die sich über jede Mitteilung in der Yellow Press freuen – weil sie sich bereits als Teil der bedachten Schicht wähnen, inklusive Yacht, Harem oder Schloss. Wo bleibt Bodenhaftung?

Ich finde es gut, dass sich die Stadt München für Linux als Basis ihrer Infrastruktur entschieden hat. Selbst der Weißbier-Abend von Ude mit Ballmer hat daran nichts mehr geändert. Peinlich und gleichzeitig erstaunlich ist es, dass gerade eine Behörde, – die doch sonst als eher unflexibel und risikoscheu gilt –, den Industrieunternehmen so eine Entscheidung vormacht. Vielleicht haben die Münchner auch das Risiko gescheut, sich Microsoft mit Haut und Haaren auszuliefern. Oder ging es ausnahmsweise mal um das Prinzip, dem Lobbyismus und der Mauschelei einen Riegel vorzuschieben?

Ich stoße dabei nicht in das Horn „Alle gegen Microsoft“, sondern in das der freien Marktwirtschaft. Die Meldung in der Computerwoche, dass Schily „mit Microsoft und IBM Rahmenverträge abgeschlossen hat, um den Behörden eine größere Flexibilität bei der Auswahl zu ermöglichen“, halte ich eher für einen Scherz. Wo ist denn da die Auswahl? Notes oder Exchange, damit hat sich’s denn auch.

Noch besser sieht es da auf bundespolitischer Ebene aus. Dass die CDU ausgerechnet jetzt das schnelle Inkrafttreten eines Gesetzes zum Schutz des Verbrauchers vor kriminellen Machenschaften mit 0190er-Telefonnummern verhindert hat, macht mich fassungslos. Selbst die vorgesehenen Kulanzzeiten bis zur Wirksamkeit, die im Gesetz vereinbart sind, sind der reinste Hohn. Vermutlich unter der Bremswirkung mächtiger Lobbyisten wurde der Verbraucher und dessen Auslieferung an wirtschaftliche Interessen einfach außer Acht gelassen. Wer soll denn da geschützt werden? Die automatischen Einnahmequellen?

Die Rubrik „Erfahrungen im Berufsleben“ darf in dieser Ausführung nicht fehlen: Es geht um Flexibilität, Beratung und Kundennähe bei der Lufthansa. Einer taiwanesischen Austauschschülerin (Lebendgewicht unter 45 Kilo) wollte die Lufthansa beim Check-In 450 Euro für zehn Kilo Übergewicht-Gepäck abknöpfen. Handgepäck hatte sie keines mehr. Nebenan liefen Mitbürger der so genannten offenen Gewichtsklasse mit vier prallvollen Aldi-Tüten in den gleichen Flieger. Erst durch eine unermüdliche Debatte konnte die Angelegenheit doch noch zufriedenstellend geregelt werden. Wo bleibt hier die Ausgewogenheit?

Ein unzureichend geschützter Web-Server, den wir bewusst vor unsere Firewall gestellt haben, hat genau 24 Stunden überlebt. Dann war er mit mehreren GByte Müll beladen. Man könnte fast zur Erkenntnis kommen, dass das Zerstörungspotenzial in unserer Gesellschaft dem Konstruktiven die Waage hält. Aber zumindest Firewall-Hersteller sehen das ja auch wieder geschäftsfördernd.

Erst wenn jeder einzelne Verbraucher sich selbst besser einbringt und seine Vorstellungen formuliert, wird sich der Markt und das „Staats-Management“ auf ihn einstellen. Dann reduzieren sich die Spielchen mit dem Verbraucher und dessen Geld! Aber erst dann!

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