Das Objekt „Mensch“ ist endlos konditionierbar

Ich habe die leise Befürchtung, dass in unserer Konsumgesellschaft technischer Fortschritt häufig mit Konditionierung auf einen neuen Unsinn verwechselt wird. Ich versuche mal ein paar Beispiele zusammenzutragen.

Fangen wir mal mit dem Ribbon bei den Microsoft-Produkten an. Ich arbeite nun ca. zwei Jahre mit diesem letzten Schrei an User-Interface-Gestaltung. Inzwischen weiß ich so ungefähr, wo welche Funktionalität sich befinden könnte. Die Suchschleifen sind über die Monate kürzer geworden. Irgendwann lasse ich mir nochmal erklären, was der Unterschied zwischen Entwurf und Layout ist. Dort ist bekanntlich das funktionale Streugut zur Gestaltung von Tabellen im Word untergebracht. Intuitiv ist da gar nichts. Aber ich bin inzwischen mittelmäßig konditioniert. Was soll man angesichts des Microsoft-Monopolismus auch anderes tun.

Ein anderer Blick richtet sich auf das User Interface von IBM Connections. Auch dort fährt man mit der Maus Achterbahn, um bestimmte Funktionalitäten zu erzielen. IBM strapaziert ja sehr stark den Begriff der Produktivitätssteigerung. Liebe Leute, da ist gewaltig Luft nach oben. Im Gegenteil, das unkoordinierte Dreifachangebot der Attachment-Ablage über Files, Libraries und Activities kann Produktivität auch gerne mal lahmlegen. Den Begriff Embedded Experience zu bemühen und dann nicht einmal einen popligen Preview gängiger Dateiformate anzubieten, ist in der Tat auch eine Experience. Auch hier muss man auf die Zwangskonditionierung der Benutzer vertrauen.

Unsere generelle Lebensgestaltung durch Smartphones will ich hier gar nicht erläutern. Ein Detail der Konditionierung ist bei mir schon komplett abgeschlossen. Apple hat mich dazu erzogen wie ein Gestörter die roten Nummern an den Apps zu eliminieren. IBM hatte das bei Notes mit der Anzahl der Ungelesenen nie geschafft. Aber auf meinem iPhone und dem iPad habe ich das pathologische Bedürfnis diese Nummern zu tilgen. Ich führe auch täglich alle Updates für alle sinnlos gekauften Apps durch, nur damit der App Store Zähler weg ist.

Der Blackberry meiner Tochter, ein Modell mit echter Tastatur, verliert so nach und nach Tasten. Manchmal findet sie die Tasten in irgendeiner Tasche wieder und prokelt sie wieder dran. Manche sind auch endgültig weg. Das „L“ zum Beispiel ist weg. Im SMS und Email-Betrieb wird es durch das „i“ ersetzt. Das menschliche Gehirn des Empfängers kann damit prima umgehen. Bei Email-Adressen, URLs oder Passwörtern führt das Fehlen des „L“ leider zu Kommunikationseinschränkungen. Der Name Allmann hat leider zwei L. Aber meine Tochter meint, man gewöhnt sich daran. Muss auch so gehen.

Eine Konditionierung im ganz großen Stil wird die Cloud bringen. Wenn uns die paar Weltkonzerne, die offenbar als Gewinner aus dem Spiel „Freie Marktwirtschaft in der IT“ hervorgegangen sind, alle in die Cloud verfrachtet haben, dann werden wir ganz andere Konditionierungen erleben. Dann wird plötzlich in jedes Email Werbung eingeblendet, SharePoint und Connections werden Werbebanner haben, so wie das Facebook und andere inzwischen vorführen. Microsoft und IBM werden erklären, dass leider nur so die Preise zu halten sind. Ein Zurück wird es nicht mehr geben. Den Begriff „on premise“, den wir gerade mühsam gelernt haben, können wir aus dem aktiven Wortschatz streichen. Natürlich wird die Werbeeinblendung auf Social Analytics basieren. Ist ja dann auch keine Kunst mehr, wenn alle Daten zentral zur Verfügung stehen. Vielleicht löst sich dann auch meine Lebensproblem Nr.1: Ich weiß manchmal einfach nicht, was ich als nächstes kaufen soll. Und wir werden es irgendwann alle so normal finden wie ein Affe im Zoo, der auf einen Buzzer haut, um an die Banane zu kommen.

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