Senior Consulting 2018

Einstieg 1: Nach fast 12 Monaten Pause will ich trotz anhaltendem Projektstress mal wieder meine Kommunikation per Blog aufnehmen. Themen gibt´s genug, auf Podcasts habe ich keine Lust und Nachfragen von Freunden und Bekannten habe ich auch.

Einstieg 2: Der junge Mann links ist Marco Neumann. Unser virtueller Senior Consultant, Senior Developer, Senior Facility Manager, … In allen Bereichen mindestens 30 Jahre Berufserfahrung. Virtuelles Gehalt: Jenseits der 200K€ ohne die Extras. Vielleicht kennt man ihn auch als Fritz Kluge oder Maik Haumich, sei´s drum. Das Bild ist bezahlt. Solange wird die DSGVO in ihrem Abmahnpotential nicht komplett begriffen haben, nehmen wir nur noch gekaufte Bilder.

Nun zum Thema. Der Begriff Senior Consultant verfolgt mich wie ein roter Faden durch mein Berufsleben. In den jungen Jahren verband ich den Begriff mit den Unternehmen KPMG, Price Waterhouse, Boston Consulting. Teure Anzüge, teure Schuhe, mega-pseudo-schlau, immer würdevoller Gang, irrsinnige Tagessätze. Auch bei 35° im Schatten läuft der Senior Consultant mit Krawatte und Jacket durch die Gänge. Worst Case: Weißes Hemd beim Mittagessen bekleckert. Deshalb isst der Senior Consultant nie Spaghetti Bolognese. Allerdings kann die Tomatensoße auch vom Tischnachbar kommen.

Freitags ist der echte Senior Consultant nicht beim Kunden. Wenn doch, dann hat der Auftraggeber sein Selbstwertgefühl beschädigt. Und er ist immer schon Monate weg, wenn ein Unternehmen zu der Erkenntnis kommt, dass die von den Senior Consultants verfassten Konzepte nicht funktionieren.

In jüngster Zeit bin ich in Projekten mit einer Flut von Senior Consultants konfrontiert. Vermutlich werde ich selbst als solcher bezeichnet. Schließlich bin ich alt genug und schreibe auch Konzepte, erfülle somit ein Teil der Kriterien. Einsatzform und Erwartungshaltung an diese Senior Consultants halte ich jedoch oft für bedenklich.

Es besteht ein Hang dazu, diese Menschen wie moderne Sklaven in Projekträumen beim Kunden zu halten. Intelligente, flexible und vor allem ablenkungsfreie Remote-Arbeit ist unerwünscht. In kritischen Phasen werden die Projekträume zu war rooms. Der Ton wird dann etwas rauher.

Man erwartet vom Senior Consultant allumfassendes Wissen. Wenn er auf eine Frage antwortet, dass er dies mit seinen heimischen Kollegen im Team klären will, dann riecht das nach Schwäche, Skill Defizite.

Auch die Skalierungsambitionen sind manchmal verwegen. Man hofft, die Anzahl der eingesetzten Senior Consultants ist proportional zum Projekterfolg bzw. umgekehrt proportional zur Projektlaufzeit. Dass 20 Senior Consultants aus 15 verschiedenen Firmen nicht zwangsweise besser sind als ein paar weniger Senior Consultants mit einem vertrauten, eingespielten Team, mag manches Unternehmen nicht glauben.

Ich werde aber keine Versuche unternehmen, diese Kultur bei einem unseren Kunden zu verändern. Die Bemühungen sind zwecklos. Etwas ungehalten werde ich gelegentlich, wenn die Arbeitseffizienz in diesem Konstrukt gegen Null geht und der Kunde mit Vorwürfen kommt. Aber dann gilt es kühl zu bleiben, die Milestones im MS Project Sheet leicht zu verschieben und sich nach Nachtragsbudgets umzusehen.

Hoch lebe der Senior Consultant!

2 Gedanken zu „Senior Consulting 2018

  1. Schön geschrieben. Und sehr unterhaltsam (was ich sehr vermisst habe). Und spricht mir auch noch aus dem Herzen. Und da ist die Stelle, wo ich mich ins Spiel bringen: Ich erfüllte mittlerweile (leider) fast alle Kriterien bzgl. Alter und (tatsächlicher) Berufserfahrung von mehr als 35 Jahren. Leider bin ich kein Schlipsträger und esse gerne Spaghetti Bolognese. Wird also nix mehr mit der Senior-Consultant-Karriere für mich.

  2. Inzwischen habe ich ein zweites Problemfeld des Senior Consultants beim Mittagessen erlebt. Das gehobene Personal geht mittags gern mal Sushi essen. Dies birgt Gefahren. Wenn man, um nicht als Sushi-Vandale (Wandale ist als Schreibweise laut Wiktionary nicht mehr gültig) aufzufallen, mit Stäbchen ist, dann besteht die Gefahr, dass ein Sushi-Teil in die Sojasoße fällt. Je nach Fallhöhe ähnelt der Effekt dem einer schleudernden Bolognese-Nudel. Auch bei der Verwendung eine schnöden Gabel ist diese Gefahr nicht gebannt.

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